Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Südanflüge – wirklich ein Provisorium?

 

Vor Jahresfrist wurde unter heftigem Protest von 2500 Demonstranten erstmals von Süden her auf dem Flughafen Zürich gelandet. Seit dem 30. Oktober 2003 sind in den frühen Morgenstunden und seltener am Abend etwa 7000 Flugzeuge auf Piste 34 angeflogen.

Vor Jahresfrist wurde unter heftigem Protest von 2500 Demonstranten erstmals von Süden her auf dem Flughafen Zürich gelandet. Seit dem 30. Oktober 2003 sind in den frühen Morgenstunden und seltener am Abend etwa 7000 Flugzeuge auf Piste 34 angeflogen. Diese Zahl wird im zweiten Jahr mit der soeben vollzogenen Fertigstellung des Instrumentenlandesystems auf Piste 34 deutlich zunehmen. Künftig sind Südanflüge bei schlechteren Wetterbedingungen möglich als in der bisherigen Regelung.

Das umstrittene Anflugverfahren wurde im Schnellzugtempo eingeführt, die Gegner des Südanflugs sprachen von Notrecht und Rechtsbruch. Das Vorgehen der Behörden erinnere in seiner Widerrechtlichkeit an Zustände, wie man sie aus «Bananenrepubliken» kenne, wurde moniert. Richtig ist, dass der Südanflug im kantonalen Verkehrsrichtplan nicht vorgesehen ist. Er widerspricht auch dem im Umweltschutzgesetz verankerten Prinzip, wonach möglichst wenige Menschen mit Lärm beschallt werden sollen. Tatsache ist aber auch, dass die Einführung des Südanflugs und zusätzlicher Ostanflüge notwendig war und immer noch ist, um den Betrieb des Flughafens nach der Verhängung der einseitigen deutschen Verordnung sicherzustellen.

Kurz vor der Einführung des unpopulären Anflugverfahrens begründeten sämtliche an seiner Vorbereitung beteiligten Institutionen (Bund, Kanton Zürich, Flughafen Zürich) die Notwendigkeit des Südanflugs. Einhellig betonte man, beim Südanflug handle es sich um eine vorübergehende Massnahme. Man setzte damals grosse Hoffnungen in die bevorstehende Mediation. So sagte Bundesrat Leuenberger in einem Interview mit der NZZ vom 7. November 2003: «Er (der Südanflug, Red.) musste als Provisorium eingerichtet werden – wegen der einseitigen Verordnung, die uns nicht die Zeit gelassen hat, die ordentlichen Prozesse durchzuführen. Ob er zu einem Definitivum wird und, wenn ja, wie, hängt (. . .) wesentlich vom Mediationsverfahren ab.» Mittlerweile ist das Mediationsverfahren gescheitert, und der Südanflug ist immer noch in Kraft.

Die Flughafen-Verantwortlichen und der Zürcher Regierungsrat – vom Bund steht eine entsprechende klare Stellungnahme aus – haben seither mehrmals betont, dass sie den Südanflug nach wie vor ablehnten und möglichst schnell wieder zum früheren Zustand der «Nordausrichtung» des Flughafens und zur «Kanalisierung» des Flugverkehrs zurückkehren möchten. Dabei hoffen die genannten Institutionen in erster Linie auf die schnelle Realisierung des gekröpften Nordanflugs, auf die Forcierung des Ostanflugs (Projekt Relief) sowie auf Neuverhandlungen mit der deutschen Seite. Daneben versuchen der Bund, Swiss und Unique sowie eine Reihe von Zürcher Gemeinden, auf gerichtlichem Weg gegen die deutsche Verordnung vorzugehen.

Wie lange es das Provisorium Südanflug noch geben wird, davon hat zurzeit niemand eine klare Vorstellung. Ein Zürcher Stadtrat meinte, die Frage lasse ihn ebenso ratlos zurück wie diejenige nach der Zeit, die ihm noch zu leben verbleibt. Derart vage braucht man nicht zu bleiben. Die Einführung des gekröpften Nordanflugs wird, wie dies vom Direktor des Bundesamts für Zivilluftfahrt vor kurzem bestätigt wurde, mindestens fünf bis sieben Jahre in Anspruch nehmen. Fest steht auch, dass der gekröpfte Nordanflug nicht dieselbe Kapazität haben wird wie der geradlinige Südanflug. Deshalb scheint es der Flughafen-Betreiberin wohl wenig dringend, den gekröpften Nordanflug auf Kosten des Südanflugs zu forcieren. Deutlich länger als sieben Jahre würde es dauern, bis die für die Realisierung von «Relief» notwendige Verlängerung der Westpiste 10/28 in die Tat umgesetzt wäre, sollte sie die notwendige Volksabstimmung überhaupt überstehen.

Gering scheinen auch die Erfolgsaussichten für die im Ausland angestrengten Gerichtsverfahren. Erstinstanzlich sind sowohl der Bund (bei der EU-Kommission in Brüssel) sowie die Flughafenbetreiberin Unique und Swiss (am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg) abgeblitzt. Entscheide der zweiten Instanz sind frühestens in zwei Jahren zu erwarten. Sollten sie zugunsten der Schweiz ausfallen, ist noch längst nicht klar, ob dann zur uneingeschränkten Nordausrichtung zurückgekehrt werden könnte. Viel wahrscheinlicher scheint, dass in langwierigen bilateralen Verhandlungen neue Regelungen ausgehandelt werden müssten. Will die Schweiz vor einem Gerichtsurteil neue Verhandlungen mit Deutschland anstreben, tritt sie in der Position des Bittstellers auf und wird mit der Maximalforderung nach einem Betriebsreglement ohne Südanflüge wohl auf taube Ohren stossen. Auch in der innenpolitischen Auseinandersetzung hat die Realisierung eines derartigen Konzepts beschränkte Chancen. Auf nationaler Ebene (bei der Erarbeitung des Objektblatts Zürich des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt) werden die Nachbarkantone Aargau, Schaffhausen und Thurgau auf der Lärmverteilung beharren. Mit derselben Hartnäckigkeit werden in der innerkantonalen Diskussion die Vertreter der Gemeinden aus dem Westen, dem Norden und dem Osten am Runden Tisch der Zürcher Regierung für eine «ausgewogene» Verteilung der An- und Abflüge kämpfen. Diese politischen Prozesse mit offenem Ausgang dürften Jahre in Anspruch nehmen.

Zieht man alle diese Erwägungen in Betracht, verdichtet sich die Vermutung, dass es sich beim Südanflug um ein sehr langfristiges Provisorium handeln wird. Diese Erkenntnis hat sich möglicherweise hinter verschlossenen Türen in Amtsstuben und Sitzungszimmern bereits durchgesetzt. Ihre Verbreitung wird aber tunlichst vermieden. Zu heikel ist dieses offene Eingeständnis politisch. Nicht nur für Bundes- und Regierungsrat, sondern auch für den Flughafen. Es droht der Verlust der seit 50 Jahren soliden positiven Mehrheiten in Flughafenfragen. Um die Abstimmung über die kantonale Plafonierungsinitiative und spätere Urnengänge zu gewinnen, wird es aber nicht genügen, wenn der Regierungsrat kühne Projekte mit vagen Erfolgsaussichten zur Entlastung der Bevölkerungsmehrheit präsentiert (Beispiel «Relief»). Mit dem Verschweigen von unangenehmen Wahrheiten wird man vermutlich keine der bevorstehenden Ausmarchungen positiv – das heisst im Interesse eines konkurrenzfähigen Flughafens und einer florierenden Wirtschaft – beeinflussen können.