Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Südanflüge sollen Übergangslösung bleiben

NZZ 28.10.2003

Ab nächstem Donnerstag wird der Flughafen Zürich in den frühen Morgenstunden von Süden her angeflogen. Bundesrat Moritz Leuenberger, die Zürcher Regierung und die Flughafen Zürich AG sind bestrebt, die hitzige Fluglärmdiskussion in einen konstruktiven Dialog umzuwandeln. Die Vorbereitungen für das Mediationsverfahren sollen nächste Woche aufgenommen werden.

ege. «So kann es nicht weitergehen», stellte Bundesrat Moritz Leuenberger am Montag in Zürich leicht gereizt fest. Der Bund, die Zürcher Regierung und die Flughafen Zürich AG hatten drei Tage vor dem Beginn der umstrittenen Südanflüge auf den Flughafen Zürich über das weitere Vorgehen in der festgefahrenen Situation informiert. Der Verkehrsminister forderte alle Beteiligten auf, von gegenseitigen Schuldzuweisungen und Beschimpfungen abzusehen und gewisse Realitäten, auch wenn sie unangenehm seien, zu akzeptieren. Die Südanflüge seien eine Folge der deutschen Verordnung, deren Einführung erfolge rechtsstaatlich, betonte Leuenberger.

Zur Förderung des Dialogs soll möglichst bald das Mediationsverfahren aufgenommen werden. Mit der Vorbereitung des Prozesses hat der Bund Wolfgang Wörnhard, Präsident des nationalen Instituts für Mediation, Ursula König, die als Mediatorin beim Flughafen Wien mitwirkte, Rechtsanwalt Richard Eichenberger und die Psychologin Mirjam Bollag Dondi beauftragt. Der Mediationsprozess, ein freiwilliges Konfliktregelungsverfahren, soll einen breiteren Beteiligtenkreis umfassen als der Runde Tisch. Insbesondere sollen Vertreter von Deutschland mit einbezogen werden. Ziel der Mediation, die maximal zwei Jahre dauern soll, ist gemäss Bundesrat Leuenberger, die emotionale Debatte zu versachlichen und Grundlagen für eine neue Einigung mit Deutschland zu finden. Der gekrümmte Nordanflug solle möglichst rasch aufgearbeitet werden, damit der Nordanflug als Produkt in die Mediation einbezogen werden könne. Politische Entscheide kann die Mediation nicht ersetzen.

Persönliche Beraterin im Flughafendossier

Eher überraschend gab der Zürcher Bundesrat bekannt, dass es von Bern aus oft schwierig sei, die politische und die mediale Entwicklung im Grossraum Zürich detailliert zu verfolgen. Mit dieser Aufgabe hat Moritz Leuenberger neu die Kommunikationsexpertin Beatrice Tschanz betraut. Tschanz übernimmt auf Mandatsbasis die persönliche Beratung und die Interessenvertretung von Bundesrat Leuenberger im Dossier Flughafen Zürich. – Christian Huber, Regierungspräsident des Kantons Zürich, reagierte positiv auf die Einsicht Leuenbergers, dass Bundesbern ein Ohr in Zürich haben müsse. In Bern werde oft nicht wahrgenommen, was in Zürich vor sich gehe. Eine Verbesserung der Kontakte zum UVEK sei zu begrüssen.

Christian Huber nannte zwei Optionen, um den gegenwärtigen Problemen zu begegnen. Entweder erfolgen zu den durch Deutschland verfügten Sperrzeiten die Landeanflüge ersatzweise von Süden und von Osten, oder es erfolgen zu den Sperrzeiten überhaupt keine Anflüge. Dies würde für den Flughafen Zürich den Verlust an Langstreckenflügen bedeuten und damit eine Rückstufung auf einen Regionalflughafen. Huber rief die bekannte Zahl in Erinnerung, dass eine Million Passagiere 1000 Arbeitsplätzen am Flughafen entspricht. Den schleichenden Abbau könne man jetzt verfolgen. Direkt und indirekt schaffe der Flughafen rund 100 000 Arbeitsplätze.

Im Mediationsverfahren wolle die Zürcher Regierung mit den Nachbarkantonen und insbesondere den süddeutschen Nachbarn Wege suchen, wie auch sie vermehrt vom Nutzen des Flughafens Zürich profitieren könnten. Interessant sei, dass die Lufthansa und der Flughafen München die Schweiz gerade jetzt ausserordentlich aggressiv bewerben. Eine Verschiebung des wirtschaftlichen Schwerpunkts Richtung München und damit Richtung Bayern ist laut Huber nicht im Interesse von Baden-Württemberg.

Mediation kommt vor dem Runden Tisch

Wenn der Betrieb des Flughafens Zürich aufrechterhalten werden solle, erzwinge die deutsche Verordnung ab dem 30. Oktober vermehrte Ostanflüge und neu auch Südanflüge, erklärten Huber und Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jeker übereinstimmend. Am mehrfach genannten Ziel, keine neue und keine zusätzliche Lärmbelastung im Süden und im Osten, halte der Regierungsrat jedoch fest. Der nächste Schritt sei das Mediationsverfahren. Der Runde Tisch, der sich vom Konsultativorgan zu einem kooperativen Planungsgremium entwickelt habe und zunehmend als Gegenpol zum Flughafen wahrgenommen worden sei, müsse in Ruhe überprüft werden. Vorrang habe jetzt in jedem Fall die Mediation, erklärte Ruedi Jeker. Gleichzeitig warnte er aber auch davor, die Mediation als Wundermittel zu sehen.

Flugbetrieb ist Bundesauftrag

Gemäss Andreas Schmid, Verwaltungsratspräsident der Flughafen Zürich AG, kann die Mediation mittelfristig zu einer Entkrampfung der Situation beitragen. Kurzfristig könne sie aber kaum eine Lösung herbeizaubern. Um möglichst viel qualitativ hohen Lebensraum zu sichern, strebt die Flughafenbetreiberin langfristig die politische und planerische Kanalisierung der Flugbewegungen über wenig dicht besiedeltem Gebiet an und damit die Nordausrichtung. Der gekrümmte Nordanflug ist aus Sicht der Flughafenbetreiberin als Schadensbegrenzung zu prüfen. Das Verfahren bedürfe neben den technischen Abklärungen jedoch des politischen Willens auf kantonaler und eidgenössischer Ebene sowie vor allem einer Kooperation von und mit Deutschland. Solange die Restriktionen der deutschen Verordnung in Kraft stünden, seien Süd- und zusätzliche Ostanflüge unabdingbar, um den Flugbetrieb sicherstellen zu können, hielt Schmid fest. Die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs sei eine zwingende Auflage des Bundes für die Betriebskonzession, die bis ins Jahr 2051 dauert.