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Fluglärm: Wann haben Grundeigentümer Anspruch auf Entschädigung?

weka 04.01.2017

Das Bundesgericht hat seine bisherige Praxis zu Entschädigungsansprüchen bei Fluglärm und Überflug mit zwei neuen Entscheiden zu den Süd- und Ostanflügen auf den Flughafen Zürich bestätigt und konkretisiert.

Fluglärmentschädigung

Gemäss aktueller Praxis des Bundesgerichts ist zu unterscheiden zwischen Entschädigungsansprüchen der betroffenen Grundeigentümer für Fluglärm einerseits und für Beeinträchtigungen durch direkten Überflug andererseits. Bei der Fluglärmentschädigung müssen die Kriterien der Unvorhersehbarkeit, Spezialität und Erheblichkeit des Schadens kumulativ erfüllt sein.

Unvorhersehbarkeit wird nach ständiger Praxis des Bundesgerichts angenommen, wenn das betreffende Grundstück vor dem 1. Januar 1961 erworben wurde. Wer später ein Grundstück im Umkreis eines Flughafens erworben hat, musste gemäss Bundesgericht mit Fluglärm rechnen und hat daher keinen Entschädigungsanspruch. Die Spezialität ist gegeben, wenn die Fluglärmbelastung übermässig ist, was anhand von Immissionsgrenzwerten festgestellt wird. Zudem muss der Schaden einen gewissen Umfang erreichen, um eine Entschädigung zu rechtfertigen. Abgesehen von den drei oben erwähnten Voraussetzungen unterliegen die Entschädigungsbegehren der Verjährungsfrist von 5 Jahren, die zu laufen beginnt, sobald die drei Voraussetzungen erfüllt sind.

Direkte Überflüge

Besser sieht es für den betroffenen Grundeigentümer bei direkten Überflügen aus. Bei solchen müssen die drei vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt sein. Lediglich die Verjährungsfrist darf nicht abgelaufen sein. Es geht hier vielmehr darum, auf welcher Flughöhe die Flugzeuge in den Luftraum des Grundstücks eindringen und mit welcher Häufigkeit. Nachfolgend werden die zwei neusten Entscheide des Bundesgerichts zu dieser Thematik und die entsprechenden Entschädigungsgrundsätze erläutert.

Urteil 1C_232/2014 vom 18. März 2016 (Entschädigung bei Südanflügen)

6 Grundstückeigentümer reichten 2004/2005 Entschädigungsbegehren für ihre Liegenschaften in Gockhausen (Gemeinde Dübendorf) bei der Flughafen Zürich AG ein. Diese wurden als Pilotfälle für die Beurteilung des Vorliegens eines sogenannten “direkten Überflugs” ausgewählt.

Nach negativen Entscheiden der Vorinstanzen erhoben die sechs Grundeigentümer gemeinsam am 5. Mai 2014 Beschwerde beim Bundesgericht. Erstens war zu entscheiden, ob ein Anspruch auf Entschädigung wegen direkten Überflugs der Grundstücke in rund 350 Metern Höhe bestehe und zweitens, ob Lärmentschädigungen für nach dem 1. Januar 1961 erworbene Liegenschaften zugesprochen werden.

Eingriff in die Eigentumsrechte durch direkten Überflug?

Das Bundesgericht hat es stets abgelehnt, generell zu bestimmen, bei Unterschreitung welcher Flughöhe ein Flugzeug in die Interessensphäre der Grundeigentümer und somit in das Grundeigentum eindringe. Es kommt im Einzelfall auf die Nutzung und Lage der betroffenen Liegenschaft sowie auf die Art und Grösse der Flugzeuge und die Auswirkungen des Überflugs ab.  Die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für Lärm allein ist für die Bejahung eines direkten Überflugeingriffs nicht entscheidend, sondern es werden zusätzlich spezielle, für den Überflug typische Beeinträchtigungen physischer und/oder psychischer Art beurteilt.

Die Grundstücke der Beschwerdeführer befinden sich ca. 8 km vom Pistenrand und werden regelmässig in rund 350 m Höhe durch Grossraumflugzeuge mit einer Flugspannweite von ca. 60 m im Landeanflug überflogen. Es liegen zwar Fluglärmimmissionen, aber keine weiteren physischen Einwirkungen wie Randwirbelschleppen, Kerosindämpfe, herunterfallende Gegenstände und Vibrationen vor. Die Silhouetten der Grossraumflugzeuge wirken gemäss Feststellung des Gerichts zwar eindrücklich, aber nicht bedrohlich.

Das Bundesgericht stellte fest, dass es nicht genügt, um einen direkten Eigentumseingriff zu bejahen, wenn die Beschwerdeführer aufgrund von morgendlichen Aufweckreaktionen durch den Fluglärm gestört werden. Die Beschwerdeführer befänden sich lediglich in der gleichen Position wie andere Anwohner von Gockhausen und sollten mit passiven Schallschutzmassnahmen geschützt werden, um Gesundheitsstörungen durch Aufweckreaktionen zu vermeiden.

Das Risiko herabfallender Gegenstände nähert sich demjenigen, dem alle Anwohner einer An- oder Abflugschneise ausgesetzt sind. Es ist somit diesbezüglich nicht die für die Bejahung eines Entschädigungsanspruchs erforderliche Spezialität gegeben.

Das Bundesgericht hat daher Entschädigungsansprüche wegen direkten Überflugs in rund 350 m Höhe abgelehnt.

Anspruch auf Lärmentschädigung für nach dem 1. Januar 1961 erworbene Liegenschaften?

Das Bundesgericht hält am Stichtag vom 1. Januar 1961 für die Vorhersehbarkeit für Fluglärmimmissionen im Einzugsbereich der schweizerischen Landesflughäfen fest (ständige Rechtsprechung seit BGE 121 II 317). Es gelte als eine allgemeingültige Regel, die in allen Verfahren zur Anwendung gelangen müsse, bei denen es um die Enteignung von Nachbarrechten wegen des Betriebs eines Landesflughafens gehe. Diese Regel sei streng anzuwenden, weshalb keine Einzelfallanpassung möglich ist (BGE 131 II 137 E. 2.3. S. 144). Das Bundesgericht stellte bezüglich der neu eingeführten Südanflüge fest, dass die Entwicklung des Flugverkehrs auf den Landesflughäfen von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren (politisch, wirtschaftlich, technisch und betrieblich) abhänge und deshalb damit gerechnet werden müsse, dass einmal festgelegte Start- und Landerichtungen wieder abgeändert werden könnten (BGE 136 II 263 E. 7.3 und 7.4 S. 268f.). Somit seien die Immissionen nicht unvorhersehbar gewesen. Die beschwerdeführenden Grundeigentümer haben daher keinen Anspruch auf Entschädigung, aber ein Recht darauf, auf Kosten des Flughafens durch Schallschutzmassnahmen gegen Fluglärm geschützt zu werden.

Urteil 1C_256/2014 vom 17. März 2016 (Entschädigung bei Ostanflügen)

Sachverhalt

Am 17. März 2016 hat das Bundesgericht in acht Pilotfällen über die Entschädigung der Grundstückeigentümer, deren Liegenschaften bei Ostanflügen in einer Höhe von 70 bis 100 Meter direkt überflogen werden, entschieden.

Im vorliegenden Fall war es unstrittig, dass die Voraussetzungen des direkten Überflugs in geringer Flughöhe vorlagen, jedoch musste die Frage der Höhe der Entschädigung geklärt werden. Es musste entschieden werden, ob die Entschädigung auf den direkt überflogenen Parzellenteil zu beschränken oder der Minderwert des gesamten Grundstücks zu entschädigen war.

Entschädigungsanspruch des Minderwertes des gesamten Grundstücks oder nur direkt überflogener Parzellenteile?

Das Bundesgericht hält an der bisherigen Rechtsprechung betreffend des Anspruchs auf eine Entschädigung für den Fluglärm (BGE 122 II 349 E. 4b. S. 356, etc.) fest. Bei einem direkten Überflug hat der Eigentümer Anspruch auf eine volle Entschädigung des Minderwertes der gesamten Liegenschaft, auch wenn ein Flugzeug nur zu einem Teil in die Luftsäule eines Grundstücks eindringt. Das Bundesgericht begründet dies damit, dass die Auswirkungen für die Bewohner solcher Liegenschaften gleich sind, unabhängig davon, ob das Grundstück vollständig oder nur teilweise direkt überflogen wird. Diese Praxis kann jedoch zu stossenden Ergebnissen führen, wenn es sich um grosse oder mit mehreren Häusern verbundene Parzellen handelt, bei denen nur ein kleiner Teil direkt überflogen wird. In solchen Fällen wird die Entschädigung nur für die überflogenen Bauten zugesprochen. Die Entschädigungen von drei Parzellen waren somit entsprechend zu kürzen.

Kommentar

Aus den beiden Urteilen ist ersichtlich, dass das Bundesgericht bezüglich der Voraussehbarkeit von Fluglärmimmissionen an seiner bisherigen Praxis und dem Stichtag vom 1. Januar 1961 festhält. Für Grundstücke, die nach dem 1. Januar 1961 erworben wurden, besteht kein Anspruch auf Entschädigung für übermässigen Lärm. Bei diesem Stichtag handelt es sich um eine allgemeingültige Regel, von der im Einzelfall nicht abgewichen werden kann.

Das Bundesgericht äussert sich zum ersten Mal zu den Voraussetzungen für einen entschädigungspflichtigen Eingriff in Eigentumsrechte der Grundeigentümer bei direkten Überflügen in 350 m Höhe. Es wird klargestellt, dass bei solchen Flughöhen keine Entschädigungen zugesprochen werden. Allerdings bleibt es offen, wie das Bundesgericht in Fällen mit tieferer Überflughöhe, die jedoch höher als 100 m ist, entscheiden wird.

Weiter hat das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass bei entschädigungspflichtigem Überflug eines Grundstückes in geringer Flughöhe Entschädigungsansprüche für die Beeinträchtigung des gesamten Grundstückes bestehen. Die Begründung in diesem Fall ist nachvollziehbar, denn die Entschädigung wird auf der Grundlage der Auswirkungen des Fluglärms zugesprochen. Da die Auswirkungen des Fluglärms das gesamte Grundstück betreffen, wird die Entschädigung für den Minderwert des ganzen Grundstückes zugesprochen.