Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Fluglärm: «Schneiser» mit Galgenhumor

Retrospektive – Vor 14 Jahren

TA 29.Juli 2004

Der Fluglärmstreit hat seine kreative Seite: Er setzt nicht nur verbitterte Beschuldigungen, sondern auch viel Wortwitz frei, um Flug und Trug zu entlarven.

Von Erwin Haas

«Wenn wir über uns und unsere Situation nicht mehr lachen können, haben wir verloren», sagen Fluglärmopfer. Sie nehmen sich des leidigen Themas nicht nur mit Verve und Ernst, sondern auch mit Galgenhumor an. Man spreche nicht umsonst vom «entwaffnenden Lächeln». Ein solches soll – selbst in der verbissensten Zürcher Politdebatte – den Luftverkehrsförderern Wind aus den Segeln nehmen.

Schneiser-Witze im Internet

So finden sich in den Chatrooms, Foren und Verlautbarungen von Inkognito-Autoren wie «Jumbo» und «Pappnase» Geschichtlein, die geradezu als Nebelspalter dienen – obwohl die Schneiser dem Flughafen rund ums Jahr Nebel wünschen, die Süd- und Ostanflüge verunmöglichen.

Woran erkennt man den Schneiser in einer überlauten Disco? «Och, Jungs, wie schade, gibt es heute keine Musik.» Für Witze führt das Internetforum www.bantliz.com eine eigene Rubrik. Obwohl die Forumsbetreiber zu anständigem Umgangston und Respekt, ja teilweise zum Melden von ausfälligen Beiträgen auffordern, zielen viele Schreiber unter die Gürtellinie. Einzelne Behördenvertreter und Bürgerorganisationschefs wurden etwa des Alkoholismus bezichtigt, wenn sie – je nach Himmelsrichtung – unliebsame Meinungen äusserten. Oder dann äusserst sich die Wut auf Politiker so: «Was ist der Unterschied zwischen einem Politiker und einem Telefonhörer? Den Telefonhörer kann man aufhängen, wenn man sich verwählt hat …»

Was da an Wortschöpfungen zusammenkommt, geht auf keine Tragflächenhaut: vom «Lughafen» über «Fierz-Furz», «Sündanflug» und «Geköpften» bis hin zu Verschreibern wie «Flugschneisse», die das Tor zu weiteren Assoziationen öffnen. Bauernregeln werden zu wetterrelevanten Schneiserregeln: «Wenn am Abend das Flugi über den Süden fräst, gar kräftig der Wind aus Osten bläst.» «Brummt dir um 6.o4 der Schädel, gibt es einen Tag ohne Nebel.» Andere geben dem Inhaltlichen den Vorzug und begreifen den Fluglärm als Chance zur Weiterbildung. Etwa der Schneiser, der für einen Auftritt in «Wetten dass ..?» trainiert und sich bei Gottschalk als Meister in der Kategorie «Erkennen von Flugzeugen auf Grund ihres Geräusches im Landeanflug bei geschlossenem Fenster, mit Ohropax und Kissen über dem Kopf» anmelden will.

«Mediation ist schön und gut», teilte einer mit – aber nur unter der Prämisse, dass die unrechtmässigen Südanflüge sofort wieder gestoppt werden. «Dann kann man mediatisieren bis ins nächste Jahrtausend – oder so lange Uriella wenigstens das Protokoll schreibt.» Die Abkürzung «Relief» des kantonalen Raumplanungsprojekts von Baudirektorin Dorothée Fierz entschlüsselt einer als «rein egoistisch lobbyierte Interessen einer Freisinnigen».

Dadaistische Protestaktionen

Bereits legendär sind kreative Aktionen, mit denen Lärmopfer die Flughafenlobby in die Schranken weisen wollten. Etwa der Kurverein Glockhausen, der ein Baugesuch einreichte für einen 240 Meter hohen Aussichtsturm in der Flugschneise-Süd. Oder die Posse um die beiden Gockhauser Rentner, die im Januar mit Stablampen anfliegende Piloten «geblendet» haben sollen und wegen Störung des öffentlichen Verkehrs vorübergehend verhaftet wurden. Manchmal sorgt die Politik von sich aus für belustigende Vorlagen, die zum Konterkarieren reizen – etwa wenn die «Relief»-Raumplaner als bevölkerungsfreundliche Kompensation für den Bau von Parallelpisten neue Wanderwege im «Regionalpark» des Flughafengebiets in Aussicht stellen.