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Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Die Kondensstreifen sind beim Fliegen schädlicher als das CO₂

TA 28.07.2022 – Neue ETH-Studie zum Klima

Selbst wenn CO₂-neutrale Flüge möglich werden, haben die Airlines ein weitaus grösseres Problem: Kondensstreifen. Eine ETH-Studie zeigt: Sie allein könnten die Erde um bis zu 0,4 Grad erwärmen.

Ins Reich der Legenden gehört nach allem, was man weiss, die These, es handle sich dabei um gezielt ausgebrachte Giftwolken, mit denen Regierungen Menschenmassen kontrollieren und manipulieren. Zweifelsfrei belegt ist indes eine andere Wirkung der Kondensstreifen: Sie erwärmen die Erde, und das sogar stärker als das CO₂, das bei der Verbrennung von Kerosin in die Atmosphäre gelangt: Nur etwas mehr als ein Drittel der Klimawirkung des Fliegens kommt vom CO₂. Mehr als die Hälfte geht auf das Konto von Kondensstreifen. Hinzu kommen weitere Klimaeffekte, etwa von Stickoxiden, Wasserdampf und Aerosolen.

Wie Forschende um Nicoletta Brazzola von der ETH Zürich nun in «Nature Climate Change» zeigen, könnten die Nicht-CO₂-Effekte des Fliegens, allen voran die Kondensstreifen, die Erde bis gegen Ende des Jahrhunderts je nach Szenario um rund 0,1 bis 0,4 Grad Celsius erwärmen. «Wenn man bedenkt, dass wir die gesamte Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen wollen, dann sind rund 0,4 Grad ganz schön viel», sagt Anthony Patt, Professor für Klimapolitik am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich und Co-Autor der Studie.

Laut Patt genügt es daher nicht, den Luftverkehr CO₂-neutral zu machen. «Selbst wenn die Luftfahrt durch die Verwendung von Biotreibstoffen und synthetischen Treibstoffen die CO₂-Emissionen auf null bringt, würde sie wegen der Nicht-CO₂-Effekte immer noch signifikant zur Erderwärmung beitragen.» 

Die Nicht-CO₂-Effekte bei Klimaabkommen nicht berücksichtigt

Der Luftverkehr trägt gemäss einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus dem Jahr 2020 in etwa 3,5 Prozent zur gesamten menschengemachten Klimaänderung bei. Im Vergleich zum Strassenverkehr ist dieser Anteil zwar gering. Studien sagen aber eine Verdreifachung des Luftverkehrs bis 2050 voraus. «Daher ist es wichtig, den künftigen Luftverkehr klimaneutral zu gestalten», sagt Christiane Voigt vom Institut für Physik der Atmosphäre des DLR.

Allerdings würden die Nicht-CO₂-Effekte bei den internationalen Klimaabkommen nicht berücksichtigt, heisst es in der aktuellen Publikation: nicht beim Klimaabkommen von Paris, nicht beim globalen CO₂-Kompensationssystem für den Luftverkehr der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation und auch nicht beim Europäischen CO₂-Kompensationssystem.

Kondensstreifen entstehen, wenn Wasserdampf im Abgasstrom von Triebwerken an dort ebenfalls vorhandenen Russteilchen kondensiert. Da es auf der Reiseflughöhe sehr kalt ist, bilden sich Eiskristalle, die wir als Kondensstreifen sehen. Je feuchter die Luft um das Flugzeug, desto grösser werden die Kondensstreifen, und desto länger sind sie zu sehen. Über eine Zeitspanne von Stunden bis Tagen können sie eine grosse Menge ausgehender Wärmestrahlung blockieren. Sprich: Sie wirken wie ein Treibhaus um die Erde.

Nicht alles, was bei der Verbrennung von Kerosin aus dem Abgas von Triebwerken kommt, hat eine wärmende Wirkung. Manche Schwebeteilchen haben eine leicht kühlende Wirkung auf das Erdklima. Auch Kondensstreifen wirken über die Mittagszeit kühlend, da sie die Sonne abschirmen. Aber vor allem bei Nacht überwiegt der Treibhauseffekt, sodass Kondensstreifen insgesamt eine klar wärmende Wirkung entfalten.

Um die Nicht-CO₂-Effekte des Flugverkehrs zu reduzieren, gibt es mehrere Ansätze. Etwa eine geschickte Wahl der Flugroute. «Es gibt klimasensitive Regionen, in denen Kondensstreifen besonders stark wärmen», sagt Voigt. Sie ist Co-Autorin einer aktuellen Studie zu Kondensstreifen-Effekten über dem Nordatlantik. Die Studie zeigt, dass über dem Nordatlantik nur 12 Prozent der Flüge 80 Prozent der Erwärmung durch Kondensstreifen verursachen. «Man muss also nur einen geringen Anteil der Flüge um diese stark wärmenden Kondensstreifen-Regionen herumleiten, um einen grossen Klimanutzen zu erzielen.» Die Vermeidung von Kondensstreifen durch klimafreundliche Flugrouten wäre laut Voigt im Vergleich zu anderen Technologien relativ schnell umsetzbar. Aber es müssten Anreize geschaffen werden, damit Airlines das auch tun.

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