Südanflug NEIN!

Zürich - Schweiz

Südstarts geradeaus
Keine Südstarts geradeaus

Der lange Weg zu einem gekröpften Nordanflug auf Zürich

NZZ 30.10.2007

Die technischen Unterlagen für die 1. Etappe eines gekröpften Nordanflugs auf die Piste 14 des Flughafens Zürich liegen beim Bundesamt für Zivilluftfahrt. Heinz Wipf, der Autor dieses Beitrags, schildert aus technischer Sicht den Weg zu einem gekröpften Nordanflug.

Von Heinz Wipf*

Ein sicheres und effizientes Management des Luftverkehrs im Grossraum des Flughafens Zürich sieht sich einem anspruchsvollen konzeptionellen, topografischen, demografischen und politischen Umfeld gegenüber. In den letzten Jahren mussten vor allem aus politischen Gründen Lufträume und Verfahren angepasst werden. Ausgearbeitet wurden diese Änderungen innerhalb des «Anpassungsprogramms Zürich», an dem Spezialisten aus unterschiedlichen Fachbereichen des Luftverkehrs mitwirken. Akteure in dieser Koordinationsgruppe sind der Flughafen Zürich, die Swiss, das Airline Operations Committee Zürich, die Privatluftfahrt (General Aviation), die schweizerische und die deutsche Flugsicherung, die Schweizer Luftwaffe, das Bundesamt für Zivilluftfahrt, der Kanton Zürich, die Nachbarkantone sowie die süddeutschen Bundesländer.

Die Arbeit begann nach dem Scheitern des Staatsvertrags zwischen Deutschland und der Schweiz 2001 mit den Massnahmen der deutschen Vollzugsverordnung (DVO 1). Damit schränkte Deutschland die Flugbewegungen über Süddeutschland ein: an Werktagen von 21 bis 7 Uhr und an Wochenenden und Feiertagen von 20 bis 9 Uhr. In diesen Zeiten sind Anflüge über den deutschen Luftraum auf die Pisten 14 und 16 des Flughafens Zürich nur noch ausnahmsweise aus meteorologischen (sicherheitsrelevanten) Gründen möglich.

Der Flughafen reagierte und beauftragte Skyguide mit dem erwähnten «Anpassungsprogramm Zürich», um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Drei Teile dieses Programms sind unterdessen umgesetzt: der Südanflug auf die Piste 34, die Verlagerung von zwei Warteräumen aus Deutschland in die Schweiz sowie die Radarführung und der neue Instrumenten-Ostanflug auf Piste 28. Diese Massnahmen stossen in den betroffenen Regionen auf grossen politischen und juristischen Widerstand. Aus technischer Sicht funktionieren sie jedoch im täglichen Betrieb als vorderhand bestmögliche Kompromisse.

Die Suche nach besseren Alternativen

Vor einiger Zeit erhielt der Flughafen Zürich von den politischen Behörden den Auftrag, Alternativen zu den neuen Südanflügen und den zusätzlichen Ostanflügen zu finden, die wegen der deutschen Anflugbeschränkungen notwendig wurden. Der sogenannte gekröpfte Nordanflug erwies sich nach aufwendigen Abklärungen als einzige technisch realisierbare Lösung, die den deutschen Luftraum im Norden meidet und dennoch Landungen von Norden her erlaubt. Allerdings leistet dieses geplante Verfahren keinen Beitrag zur Kapazität des Flughafensystems.

Segmentierter Anflug als 1. Etappe

Das Programm für einen gekröpften Nordanflug wird unter der Federführung des Flughafens Zürich in drei Etappen vorangetrieben. In einer 1. Etappe soll der südliche Teil der Region Zürich mit einem neuen Anflugverfahren aus Norden von einem Teil der neuen Südanflüge entlastet werden. Das geplante Anflugverfahren ist auf Schweizer Hoheitsgebiet und auf die frühen Morgenstunden von 6 bis 7 Uhr beschränkt. Aufgrund der Nähe des Flughafens Zürich zur deutschen Grenze bietet nur ein segmentierter Anflug eine Lösung. In seiner 1. Etappe ist der gekröpfte Nordanflug als Sichtanflug mit Precision Area Navigation (P-RNAV; vergleiche Kasten auf dieser Seite) auf die Piste 14 konzipiert. Er umfasst ein P-RNAV-Segment zur Positionierung des Flugzeugs für einen langen Sichtanflug. Die Endkurve liegt bereits im Sichtflugsegment des Anflugverfahrens. Das Verfahren umfasst zwei Durchstart-Prozeduren, je nachdem, ob der Abbruch im Instrumentenflugsegment (Missed Approach) oder im Sichtflugsegment (Balked Landing) erfolgt.

Luftfahrtstudien und eine Beurteilung der Flugdynamik sowie der Navigationsleistung der Flugzeuge führen zum Schluss, dass das Anflugverfahren im gegenwärtigen Luftraum angemessen bewirtschaftet werden kann. Das betriebliche Konzept beruht, wie heute üblich, auf einer vollumfänglichen Sicherheitsbeurteilung in Übereinstimmung mit europäischen Vorschriften. Weil der Anflug am Ende ein Sichtflugsegment enthält, hat Meteo Schweiz eine mikroklimatische Studie erarbeitet. Diese Untersuchungen ergaben den Bedarf einer weiteren Wetterüberwachungsstation in Ergänzung zu den bereits bestehenden.

Man mag sich fragen, warum in dieser 1. Etappe ein seit Jahrzehnten funktionierendes Instrumentenanflugverfahren der höchsten ILS-Kategorie von einem Sichtflugverfahren abgelöst werden soll. Erstens ist es sinnvoll, ein Anflugverfahren mit ganz neuen technischen und betrieblichen Elementen nur schrittweise einzuführen, damit die Komplexität des Gesamtvorhabens unter Kontrolle bleibt. Dabei geniessen Elemente, die auch im Gesamtsystem bereits bekannt sind, einen Vorzug vor neuen Verfahren und Technologien. So ist das P-RNAV-Segment zwar neu, der Sichtanflug (inklusive Übergang) aber schon bekannt. Die direkte Einführung eines instrumentengestützten Verfahrens enthält dagegen gezwungenermassen mehrere Unbekannte. Das für den gekröpften Nordanflug gewählte Vorgehen folgt damit dem Prinzip der Vorsicht.

Zweitens sind visuelle Anflugverfahren auf zahlreichen internationalen Flughäfen weltweit eingeführt und erlauben, bei einwandfreien Wetterverhältnissen, eine erhöhte Flexibilität. Die operationelle Einbettung eines zusätzlichen Verfahrens erhöht aber naturgemäss die Komplexität eines bereits heute schon sehr anspruchsvollen An- und Abflugregimes in Zürich und ist Gegenstand einer begleitenden Studie in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich.

Technische Vorbereitungen für 2. Etappe

Die Herausforderung für die 2. Etappe des gekröpften Nordanflugs liegt im technologischen Bereich. Hier geht es darum, das Flugzeug mit Hilfe eines P-RNAV-Segments kontrolliert auf das bestehende ILS-Signal der Piste 14 zu führen. Somit kann der Anflug gänzlich mit Hilfe von Instrumenten geflogen werden. – Der Bericht zur Machbarkeit des betrieblichen Flugsicherungsverfahrens ist erstellt, und Studien zur Ausrüstung der Bordinstrumente sind im Gange. Einer der technologisch heiklen Punkte ist das nahtlose Umschalten von der Navigation durch das Flight Management System (FMS) auf den Autopiloten, der seinerseits direkt durch das vom Navigationsempfänger erhaltene ILS-Signal gesteuert wird. Heute sind dafür erst Vorarbeiten geleistet, weitere Abklärungen müssen noch folgen.

Die 3. Etappe hat einen vollständigen Anflug gemäss Required Navigation Performance (RNP) auf die Piste 14 zum Ziel. Allerdings sind die hier angestellten Untersuchungen allgemein von Interesse und beschränken sich nicht auf eine Pistenanflugrichtung. Die für die RNP geltenden Kriterien wurden von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) erarbeitet und kommen noch dieses Jahr zur Veröffentlichung.

Als funktionierendes Beispiel sei hier der RNP-Anflug auf die Piste 26 in Innsbruck genannt. Dieser Anflug erfordert zurzeit noch strikte Auflagen. Alle Betreiber müssen für jeden Flugzeugtyp und für jede Besatzung eine besondere Genehmigung der Aufsichtsbehörde einholen, damit sie solche Verfahren anwenden dürfen. Diese verlangt fortgeschrittene RNP-Funktionen wie das Fliegen konstanter Radien im Verhältnis zu einem definierten Positionspunkt. Ausserdem sind einige Fragen im Zusammenhang mit der Qualität der kritischen Daten, die vom Navigationscomputer an Bord verwendet werden, noch nicht restlos geklärt. Weil Genehmigungen wie für Innsbruck für das Anfliegen eines Drehkreuzes von der Grösse Klotens kaum ein gangbarer Weg sind, ist damit zu rechnen, dass die 2. Etappe des gekröpften Nordanflugs lange in Betrieb bleiben wird.

Präzisionsflächennavigation

Sx. Flächennavigation (RNAV) ist eine Methode, mit der die entsprechend ausgerüsteten Flugzeuge auf jedem gewünschten Kurs navigieren können. Es ist daher nicht erforderlich, dass das Flugzeug von oder zu einer definierten Radionavigationsstation fliegt. Allerdings muss für RNAV die radioelektrische Überdeckung der benutzten Navigationsstationen berücksichtigt werden. Dies geschieht aber in der Regel automatisch durch den Bordrechner. Ermöglicht wird RNAV, indem der Bordcomputer mit Hilfe von Signalen terrestrischer Navigationsmittel (VOR-DME) oder globaler Navigationssatelliten (GNSS) in Kombination mit der Barometerhöhe die Flugzeugposition schätzt. Gestützt wird die automatische Navigation ferner durch die mitgeführte Trägheitsnavigationsanlage an Bord (INS). Die Präzisionsflächennavigation (P-RNAV) erfordert zusätzlich, dass die laterale Positionsgenauigkeit während 95% der Flugzeit besser als 1 NM ist. Diese Genauigkeit hängt unter anderem von der relativen Position der bodengestützten Radionavigationsstationen oder von der verfügbaren Satellitenkonstellation ab.