12.02.2003 -- Tages-Anzeiger Online


Fluglärmverteilung bleibt aktuell

Der Bund fügt dem Vexierspiel um Zürcher Flugrouten eine veränderte Verteilvariante hinzu - mit mehr Starts nach Norden und Landungen aus Osten.

Von Erwin Haas

Im November hatte die Zürcher Regierung dem Flughafen-Betriebsentwurf mit ausgewogener verteiltem Fluglärm abgeschworen und wieder die Kanalisierung der Routen verlangt. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hält an der Verteilvariante als Option fest, hat aber die bereits einmal optimierte Variante BV2 nochmals verbessert. Geschraubt wurde an der prozentualen Verteilung der An- und Abflüge auf alle vier Himmelsrichtungen rund um den Flughafen. Nach neuer Berechnung würden laut Bazl rund 5000 Personen weniger mit neuem Fluglärm belastet, als es mit «BV 2 optimiert» der Fall wäre.

Das Betriebsszenario «BV2 optimiert» war von Volkswirtschaftsdirektor Ruedi Jekers rundem Tisch zur Fluglärmproblematik als beste von schlechten Lösungen akzeptiert und von Unique zuhanden der Raumplanung des Bundes eingereicht worden. Diese Variante sah rund 30 Prozent der Anflüge zum Flughafen Zürich von Norden her vor, je rund ein Viertel von Osten, Süden und Westen her. Starts sollten zu 44 Prozent Richtung Süden, zu 32 Prozent Richtung Norden, zu 16 Prozent Richtung Westen (nach bisherigem Regime waren es gut 60 Prozent) und zu 7 Prozent Richtung Osten erfolgen. Gemäss der neuen Bazl-Variante «BV2 SIL» (SIL für «Sachplan Infrastruktur Luftfahrt») kämen neu 20 statt wie geplant 30 Prozent der Anflüge von Norden, 45 statt 22 Prozent von Osten, 25 statt 23 Prozent von Süden und 10 statt 25 Prozent von Westen her nach Kloten. Dafür gäbe es gegenüber «BV2 optimiert» fast doppelt so viele Starts Richtung Westen (30 statt 16 Prozent), 30 statt 44 Prozent Richtung Süden, 40 statt 32 Prozent Richtung Norden.

Möglichst wenig Lärmbelästigte

Der Vorschlag des Bazl, diese neue Verteilvariante in die Fluglärmhülle des SIL aufzunehmen, beruht auf Empfehlungen der Bundesämter für Raumplanung und für Umwelt, Wald und Landschaft. Die Fluglärmhülle schränkt zwar den Rahmen für die kantonale Raumplanung ein und bestimmt Schallschutzmassnahmen und Entschädigungen, die der Flughafen Zürich berappen muss. Erstes Ziel ist aber, dass möglichst wenige Anwohner in Zonen über den Immissionsgrenzwerten leben müssen. Die Umweltrechtsexperten stufen die Lärmgesetzgebung höher ein als die politische Wünschbarkeit, um die sich die Regionen ohnehin streiten. Die Umschichtung der An- und Abflüge gegenüber der bisherigen Verteilvariante erfolgt wegen der unterschiedlichen Lärmbelastung durch die sehr lauten Starts und die etwas weniger lauten Landungen. Ein startendes Flugzeug wirft einen breiten, ovalen Fluglärmteppich auf die Erde, ein landendes Flugzeug einen langen, schmalen. Umgerechnet auf die betroffene Bevölkerung in den An- und Abflugschneisen brächte die neue Variante nach Ansicht des Bundes am wenigsten Belästigung.

Für das Bazl hat die neue Langfristvariante «BV2 SIL» zurzeit wenig Priorität. Im Vordergrund steht die Optimierung der Kurz- und Mittelfristvarianten, welche die Zürcher Regierung im November nach ihrer Kehrtwende verlangt hatte: Variante «Ist» (so an- und abfliegen wie bisher) bzw. «Ist plus» (mit vielen Ost- und Südanflügen wegen des Staatsvertrags, vor allem an Wochenenden). Zudem sind Fragen zum Nachtbetrieb, der Verlängerung der Westpiste und der technischen Machbarkeit eines Instrumentenlandesystems für Anflüge von Westen her offen.

Bundesratsentscheid erst im Mai 2004

Zu Auseinandersetzungen wird die neue Verteilvariante ohnehin noch führen. Die Gemeinden im Osten und Norden des Flughafens und umliegende Kantone werden sich wehren. Die Zürcher Regierung strebt langfristig den Bau von Parallelpisten an. Diese würden den Grossteil aller Flugbewegungen über Bülach und anderen Nordgemeinden kanalisieren. Wegen des noch ungeklärten Staatsvertrags mit Deutschland, das auf einer Beschränkung der Landeanflüge über den Rhein besteht, hat sich die Flughafen-Raumplanung des Bundes stark verzögert. Der Entscheid des Bundesrates, ursprünglich für April 2003 vorgesehen, fällt nach dem neusten Zeitplan erst im Mai 2004. Eine weitere Verzögerung droht wegen des Wunsches der Zürcher Regierung, die Richtplanung mit der Flughafenplanung des Bundes breit abgestützt zu koordinieren. Ob die Langfristvariante «BV2 SIL» des Bundes schliesslich gegen den Zürcher Langfristwunsch nach Parallelpisten obsiegt, wird deren Vergleich dereinst zeigen. Doch der steht angesichts der dringenden Kurzfristprobleme noch in den Sternen.